Vogelarmut im Winter

Den Vogelfutterhausbetreibern ist es schnell aufgefallen: es gibt wenig Singvögel in diesem Winter 2016/2017. Die Suche nach den Ursachen bleibt schwierig. Allenfalls einige Hypothesen kann man aufstellen:

  1. Das Wetter war zur Brutsaison (April – Juni 2016) schlecht. Die Niederschlagsmengen und Tageshöchst- und -tiefsttemperaturen zeigen keinen deutlichen Unterschiede zu den Vorjahren. Sicherlich sind Regen und Feuchtigkeit schlecht für die Küken im Nest. Das Wasser – ob nun hineingeregnet oder durch nasse Vogeleltern in das Nest gebracht – kühlt durch die Verdunstungskälte die kleinen Körper schnell aus. Wir können nur achtgeben, unsere Nistkästen nicht mit dem Einschlupfloch in die Hauptwetterrichtung (Westen) aufzuhängen. Ausserdem müssen die Kästen im Winter geleert werden, damit das Nistmaterial sich nicht zu hoch stapelt.
  2. Die Vögel finden draussen genug zu fressen. Das wäre schön, ist aber recht unwahrscheinlich. Vielmehr bedeutet jede entfernte Feldhecke nicht nur den Verlust von Brutplätzen und Schutz sondern auch das Verschwinden von Insekten und Spinnen. Das sog. Winterfestmachen der Gärten, das mit dem Entfernen aller Gräser, Disteln und Beeren einhergeht tut ein übriges.
  3. Die Wintergäste bleiben aus. Neben den Standvögel, die das ganze Jahr über bleiben und nicht im Winter in andere Regionen fliegen, bekommen wir sonst viel Besuch aus dem Norden und Osten Europas. Dort ist es meist noch kälter und Nahrung noch weniger zugänglich. Also kommen die Vögel der Arten, die bei uns Standvögel sind im Winter zu uns und fallen hier durch ihre etwas anderen Rufe auf (Kohlmeisen mit Akzent oder die Trompetengimpel). Vielleicht haben einige das Teilziehen in diesem Jahr unterlassen – möglicherweise weil die Versorgungssituation dort sich gebessert hat (vielleicht werden dort jetzt auch mehr Vögel gefüttert).
  4. Verfolgung durch Beutegreifer. Sicherlich sind Singvögel auch Beute und damit Nahrung für Beutegreifer. Dabei sollte zwischen den natürlichen und den durch den Menschen eingeführten Beutegreifern unterschieden werden. Natürliche Beutegreifer (Greifvögel, Eulen, Marder etc.)  gibt es seit Jahrtausenden. Es gibt Zyklen, in denen mal die Beute, mal die Beutegreifer stärker vertreten sind. In diesem Verhältnis ist es ausgeschlossen, dass eine Art eine andere vollkommen auslöscht. Anders erhält es sich mit den durch den Menschen eingeführten Beutegreifern (z.B. Hauskatze (Abkömmlinge der ägytischen Falbkatze), Waschbären). Hier konnten einige Beutetiere noch keine Strategie entwickeln, um ihrer vollständigen Auslöschung zu vermeiden.

Etwas positives kann diesem abgewonnen werden: Den Menschen ist das Fehlen der Vögel aufgefallen und sie werden vermisst. Das gibt Anlass zur Hoffnung, dass es noch nicht zu spät ist, die Vergiftung der Natur und Herrichtung aller Felder für die industrielle Landwirtschaft zu stoppen. Ein Frühling ohne Vogelgesang – wer mag sich etwas so trostloses vorstellen.